"Südthüringen bleibt bunt" - dieses Motto ist selbstverständlich. Wer will schon ein graues oder auf andere Weise einfarbiges Land? Aber was ist daran so wichtig, dass wir dafür so deutlich und laut wie möglich in die Öffentlichkeit gehen müssen?
Weil dieses Buntsein heißt: Fremde sind willkommen!
Der erste Grund ist ein mitmenschlicher: Wer geflohen ist, braucht Schutz. Und es ist möglich, diesen Schutz zu gewähren! Das überfordert unser Land nicht. Das überfordert auch die meisten Menschen in Suhl und Umgebung nicht. Im Gegenteil, die Unterstützung und Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge ist sehr groß.
Wer der Militärdiktatur in Eritrea entflohen ist oder dem Terror durch die Assad-Regierung oder durch den IS in Syrien, wer der Gesinnungsdiktatur im Iran entflohen ist oder dem gewalttätigen Chaos in Somalia, auch wer als Roma der Diskriminierung seiner Volksgruppe entflohen ist, der braucht hier nicht neues Misstrauen, neue vielfältige Einschränkungen und neuen psychischen Druck, sondern Schutz und die faire Prüfung seines Antrags auf Asyl. Es ist keine Zumutung, diesen Schutz zu gewähren! Sondern eine schlichte mitmenschliche Forderung - an jeden, ob er ein gläubiger oder ein atheistischer Mensch ist.
Der nächste Grund liegt in der Lebensqualität und dem Lebensgefühl bei uns: Wir sind schon immer eine gemischte Gesellschaft, und es gibt schon immer bodenständige und hin- und herwandernde Menschen im kulturellen, wirtschaftlichen und zwischenmenschlichen Austausch. Ohne Wanderbewegungen wären wir nicht, was wir sind! Es wird immer eine Bereicherung daraus, wenn fremde Menschen dazukommen - die einzige Ausnahme wären feindliche Truppen im Krieg. Das schönste Beispiel ist die jüdische Geschichte in dieser Region. Und sie wurde besonders grausam beendet, wie wir alle wissen. Zum Schaden und zum Verlust auch für diese Region. Das darf nie wieder geschehen! Mit den Flüchtlingen, die jetzt zu uns kommen, kann eine gute Geschichte beginnen:
Orthodoxe Christen aus Eritrea oder aus Südosteuropa, Muslime unterschiedlichster Ausrichtung, die hier gerade ein Land der Toleranz suchen und deshalb hierher fliehen, orientalische und afrikanische kulturelle Einflüsse, in Musik, Kunst und Wirtschaft - das alles kann zur Stärkung unserer Region beitragen, in jeder Hinsicht! Wir werden bereichert, wir gewinnen dazu. Nicht nur statistisch, sondern kulturell, ökonomisch, religiös. Das geschieht nicht automatisch. Das braucht Geduld, Zeit, Verständigung miteinander. Aber es ist eine sehr große Chance, kein Verlust! Ein Verlust wäre es, diese Chance nicht zu nutzen. Wir haben Glück, dass schutzsuchende Menschen sich unter anderem auch unser Land aussuchen. Wir haben Glück, dass sie es trotz aller Widrigkeiten und trotz der grausamen europäischen Abschottungspolitik bis hierher schaffen. Es tut uns gut, dieses Glück zu nutzen.
Darum will ich nicht nur uns hier, sondern auch den andern bei Sügida zurufen: Seid wach gegen rassistische Gedanken! Geht mit eurer Angst vor dem Fremden anders um: Angst wird bekämpft durch Kennenlernen, nicht durch Abschottung und Ausgrenzung! Sucht für eure eigene Unzufriedenheit keine Sündenböcke, sondern sucht nach den Ursachen! Lasst euch nicht benutzen, am wenigsten von denen, die auf Fremdenhass setzen für ihre eigenen schäbigen Ziele!
Uns allen wünsche ich, dass niemand verletzt wird, nicht körperlich und nicht seelisch, und dass Gott diesen Abend in Suhl segnet - alle Demonstranten, alle Ordner, alle Polizistinnen und Polizisten.
Martin Herzfeld, Superintendent der Stadt Suhl